Beitrag im ZARA Shadow Report 2023: Betrachtungen eines Nationalen Aktionsplans gegen Rassismus - „und sie wissen sich dabei in angesehener Gesellschaft“


 

Von Madge Gill Bukasa -

Lassen Sie uns die Notwendigkeit eines Nationalen Aktionsplan gegen Rassismus zunächst aus heutiger Sicht betrachten: Vom Jugendlichen etwa, der in der COVID-19 Pandemie auf den Boden spuckt und von einem Beamten der LPD Wien gefragt wird, „Warum er nicht in Afrika sei“1. Von der Schülerin afrikanischer Herkunft, die von ihren Mitschüler:innen als „Müll“ bezeichnet wird, und daraufhin die Schule wechselt. Oder vom Politiker, der bei einer Landtagssitzung die Namen von 21 Kindern einer Volksschulklasse mit mutmaßlichem Migrationshintergrund vorliest, und im Nachsatz von straffälligen Asylwerbern spricht. Dahinter steht struktureller Rassismus, der sich in gesellschaftlichen Systemen, wie Politik, Exekutive, Bildung und Wirtschaft, resistent hält. Was all diesen Vorfällen außerdem gemeinsam ist, ist, dass sie, obwohl sie zeitlich begrenzt sind, eigentlich keinen endgültigen Abschluss finden. Sie sind vielmehr der Anfang von etwas, das sich im Bewusstsein der Betroffenen verankert - dem Bewusstsein, dass sie rassistischer Diskriminierung ausgesetzt waren und dass die Verursacher:innen dieser Handlungen nur selten oder gar keine Konsequenzen erfahren.

Regierungsvertreter:innen, Institutionen, Organisationen und unzählige Österreicher:innen bekennen sich zwar grundsätzlich dazu, dass „Rassismus“ in unserer Gesellschaft keinen Platz hat. Warum dennoch der träge Umgang mit einem Nationalen Aktionsplan (NAP) gegen Rassismus? Warum wird ein „Aktionsplan gegen Rechtsextremismus und gegen den religiös motivierten politischen Extremismus (politischer Islam)“, wie er im Regierungsprogramm vorgesehen ist, und eine Nationale Strategie (NAS) gegen Antisemitismus umgesetzt, aus der 2021 und 2022 zahlreiche hoffnungsvolle Maßnahmen hervorgehen, aber bis heute keine generelle Strategie gegen Rassismus? Es ist wichtig für die Demokratie in Österreich, die Vielfalt der Menschen nicht nur zu akzeptieren, sondern sie aktiv zu leben und zu verteidigen.

Vielleicht sollten wir die Forderung nach einem Nationalen Aktionsplan gegen Rassismus vom Anfang her betrachten? In der 11. Gesetzgebungsperiode während der 4. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich am 22. April 1966 äußerte sich der damalige Vorsitzende der SPÖ, DDr. Bruno Pittermann, wie folgt: „Die Abgeordneten lehnen jedes Wiederaufleben des Rassismus oder eines engstirnigen Nationalsozialismus ab, und sie wissen sich dabei in angesehener Gesellschaft.“2 Dieser erste Eintrag zum Thema „Rassismus" von insgesamt lediglich 536 Einträgen in den stenographischen Protokollen des österreichischen Parlaments in den Jahren 1918 bis 2023 bezieht sich freilich auf Antisemitismus. Und in der 22. Sitzung des Nationalrates am 10. Mai 2000 taucht erstmals der "nationale Aktionsplan gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit" in einem Redebeitrag des ÖVP-Abgeordneten Dr. Michael Spindelegger auf. Er fragt: „Wenn er (Gusenbauer) sagt, es solle einen nationalen Aktionsplan gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit geben, dann möchte ich ihn wirklich fragen: Was für einen nationalen Aktionsplan?“3 Heute, 23 Jahre später, scheint diese Aufgabe für die Parlamentarier:innen immer noch nicht bewältigbar zu sein - eine "never ending story"?

Seit spätestens den 70er Jahren engagiert sich die anti-rassistische Zivilgesellschaft in Österreich sehr aktiv. Sie gewährte „Fremden“ Unterschlupf, organisierte Demonstrationen, errichtete Denkmäler, hielt Mahnwachen ab, veranstaltete Kundgebungen, führte Performances auf, zeigte rechtsradikale Politiker:innen an, deckte interne Missstände auf, informierte, publizierte, formierte und solidarisierte sich, etc. Und doch zeigt eine ganz aktuelle Studie der EU-Grundrechteagentur (FRA)4, dass Österreich bei Diskriminierung gegenüber Menschen afrikanischer Herkunft Höchstwerte aufweist. Diese Studie zeigt beispielsweise, dass schwarze Menschen und Menschen afrikanischer Herkunft in Österreich überdurchschnittlich häufig Polizeidiskriminierung erfahren (53 Prozent der befragten Männer und 24 Prozent der befragten Frauen). Doch die Ergebnisse dieses Berichts spiegeln sich nicht in Anzeigen bzw. Verurteilungen von Exekutivorganen, Kampagnen für Zivilcourage oder Fernsehdebatten wider. Dies verdeutlicht die „Realität eines verwurzelten Rassismus“5, was eine gemeinsame nationale Anstrengung braucht und nicht alleinige Aufgabe von einzelnen Politiker:innen, Institutionen, Organisationen und Akteur:innen sein kann.

Betrachten wir nun den Nationalen Aktionsplan gegen Rassismus in seiner Bedeutung für die Zukunft: Gelebte Vielfalt in Gleichheit!

Landesverwaltungsgericht Wien - Geschäftszahl VGW-102/067/9788/2020
4. Sitzung des Nationalrats vom 22. April 1966 (4/NRSITZ)
Nationalrat, XXI. GP 10. Mai 2000 22. Sitzung / 127 
Being Black in the EU – Experiences of people of African descent
MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT, DEN RAT, DEN EUROPÄISCHEN WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSS UND DEN AUSSCHUSS DER REGIONEN Eine Union der Gleichheit: EU-Aktionsplan gegen Rassismus 2020-2025
• ebenda


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